Am
kommenden Sonntag, 5. Juli, empfängt Landesligist VfL Germania Leer zu seiner offiziellen Saisoneröffnung die U23-Mannschaft von Werder Bremen im Leeraner Hoheellern-Stadion (Anstoß 16 Uhr). Mit in
Leer dabei sein wird dann auch ein guter Bekannter. Seit dem 1. Juni ist Tim Borowski neuer Sportlicher Leiter des Bremer U23-Teams.
Mario Rauch traf den 33-fachen Nationalspieler für germanialeer.de zum Gespräch.
Herr Borowski, seit einigen Wochen sind Sie sportlicher Leiter der U23-Mannschaft bei Werder Bremen. Welche Aufgaben umfasst ihre neue Aufgabe?
Borowski: Ich bin für alle sportlichen Belange unserer U 23 zuständig. Der Bereich beinhaltet sowohl organisatorische Aufgaben als auch die Kaderplanung in enger Abstimmung mit der Profi-Abteilung. Wir möchten junge Talente aus unserem eigenen Leistungszentrum als auch junge Spieler, die wir zur U23 dazu geholt haben, in ihrer Entwicklung und ihrem Weg in die Bundesliga unterstützen. Dazu ist natürlich ein enger Austausch mit dem WERDER Leistungszentrum und dem Bundesliga-Team um Coach Viktor Skripnik nötig. Da sehe ich unsere Arbeit als eine wichtige Schnittstelle.
Während Bundesliga-Konkurrenten wie Leverkusen oder Frankfurt ihre zweiten Mannschaften abgemeldet haben, hat Werder ganz bewusst an der U23 festgehalten. Warum spielt das U23-Team in Bremen eine so große Rolle?
Die U23-Mannschaft ist ein wichtiger Teil unserer sportlichen Philosophie. Der Weg aus dem Jugend- in den Herrenbereich ist extrem schwer. Das schaffen nur ganz wenige Ausnahmetalente auf Anhieb. Viele Talente benötigen ein wenig mehr Zeit, um den Übergang zu bewältigen. Daher ist die U23 ein wichtiger Zwischenschritt. Ich spreche da aus Erfahrung. Damals war ich mit 19 Jahren auch noch nicht so weit, direkt den Schritt zu schaffen. Die eineinhalb Jahre in der U 23 haben mir sehr gut getan. Das ist eine gute Basis für die spätere Karriere, zumal wir mit der 3. Liga nun eine fußballerische Entwicklung auf einem noch höheren Niveau bieten können.
Gibt es Unterschiede zwischen den 19-jährigen Talenten heute und den damaligen Talenten wie Tim Borowski Ende der 1990er Jahre?
Ja, die Jungs sind fußballerisch heute in dem Alter schon reifer. Die meisten der der Talente treten auch wesentlich selbstbewusster auf als wir damals in dem Alter. Das kann vielleicht auch daran liegen, dass zur damaligen Zeit die Strukturen im Fußball viel hierarchischer waren. Es gab klare Rangordnungen in den Mannschaften, da auch oft viel mehr ältere Spieler in den U 23-Teams gespielt haben.
Welche Spieler aus der aktuellen U23-Mannschaft sehen Sie in naher Zukunft auf dem Sprung in die Bundesliga-Mannschaft?
Letztendlich hat jeder Spieler die Chance, sich zu empfehlen. Das Potenzial ist im Kader definitiv vorhanden. Aber Talent alleine reicht nicht aus. Es gehören auch der nötige Ehrgeiz, Mentalität und ein Quäntchen Glück dazu.
Einige Fans haben das Gefühl, dass Werder durch die gute Nachwuchsarbeit in den vergangenen Jahren anderen Mannschaften aus der 1. und 2. Bundesliga mehr geholfen hat als sich selbst. Viele ehemalige Werder-Talente spielen inzwischen bei ihren neuen Klubs eine wichtige Rolle. Martin Harnik und Max Kruse sind sicherlich die bekanntesten Beispiele…
Die Entwicklung ist bei jedem Spieler differenziert zu betrachten. Einige wurden durch Verletzungen aus der Bahn geworfen. Und dann gab es andere Spieler, die gesehen haben, dass die Konkurrenz auf ihrer Position im Bundesliga-Kader zu groß war. Deshalb haben sie Werder dann lieber verlassen und konnten bei anderen Vereinen trotzdem eine gute Rolle spielen. Ich kann verstehen, dass es beim ersten Hinschauen manchmal schwer nachvollziehbar ist, warum einige Talente nicht gehalten wurden. Bei genauerer Betrachtung spielen aber unterschiedliche Konstellationen eine Rolle, weshalb es bei einem anderen Verein dann besser klappt. Manchmal kann auch ein Umweg über die 2. Bundesliga für einen talentierten Spieler in der persönlichen Entwicklung hilfreich sein.
Mit Verwunderung haben viele Werder-Anhänger zur Kenntnis genommen, dass Stürmer Max Wegner (26) Werder trotz starker Leistungen verlassen muss. Woran liegt das?
Erst mal muss man Max ein Kompliment machen, weil er wirklich ein guter Typ und absoluter Profi ist. Unsere Philosophie für die U23-Mannschaft ist aber, junge Talente auszubilden, um sie schnell nach oben in die Bundesliga bringen zu können. Max war mehrere Jahre bei uns und hat wirklich starke Leistungen gezeigt, auch wenn ihm das zuletzt durch seine Verletzungsanfälligkeit erschwert wurde. Deshalb ist die Entscheidung, sich von so einem Spieler zu trennen, ein zweischneidiges Schwert. Letztendlich hat er nicht mehr ganz unserer U23-Philosophie entsprochen. Wir haben junge Talente, die entwickelt werden müssen. Und das ist ein Argument, dass für eine U23-Mannschaft entscheidend ist.
Die Trennung von Wegner war also auch unabhängig von der Rückkehr des Stürmers Martin Kobylański, dessen Ausleihe an Union Berlin nun endete?
In der Kaderplanung spielen vielfältige Aspekte eine Rolle. Natürlich auch die mögliche Rückkehr oder die Ausleihe von einigen Spielern. Dazu haben wir zahlreiche junge Spieler, die bei den Profis trainieren, aber in der U23 ihre Spielpraxis oftmals sammeln werden. Da müssen wir schon genau schauen, mit welchem Kader wir in die Saison gehen.
Seit einigen Tagen steht im Raum, dass es eine Kooperation von Werder mit Juventus Turin geben könnte. Thomas Eichin hat sich diesbezüglich angeblich mit Juve-Manager Giuseppe Marotta getroffen. Junge Talente aus Turin sollen sich bei Werder auch in der U23-Mannschaft für höhere Aufgaben empfehlen. Der Namen Andrés Tello wurde in diesem Zusammenhang schon genannt. Wie konkret sind die Planungen?
Ich kann dazu nichts Neues berichten. Letztendlich ist das eine Frage, die nur Thomas Eichin beantworten kann. Es stimmt aber, dass er zu Gesprächen in Italien war.
Nochmal zurück zu Ihnen: Sie sind jetzt im Management-Bereich bei Werder tätig. War es für Sie kein Thema, einen Trainerjob zu übernehmen?
Das Trainee-Programm, das ich nach dem Ende meiner aktiven Karriere absolviert habe, zielte klar darauf ab, für eine Position im organisatorischen Bereich gut gerüstet zu sein. Mir macht das Spaß und es fühlt sich richtig an – auch, weil ich mich nicht komplett vom Fußballgeschehen wegbewegt habe, sondern immer noch nah an der fußballerischen Entwicklung einer Mannschaft dran bin. Vielleicht unterhalten wir uns aber in einigen Jahren nochmal und ich habe dann plötzlich meine Trainer A-Lizenz in der Tasche. Ich will das zumindest nicht ausschließen. Aber aktuell mache ich mir darüber keine Gedanken.
Würden Sie rückblickend auf Ihre Spielerkarriere nochmal den Schritt wagen, zum FC Bayern zu wechseln?
Es sind nicht viele Spieler, die nach ihrer Karriere behaupten können, dass sie beim FC Bayern München gespielt haben. Auch das war eine tolle Lebenserfahrung. Dass es dann nicht optimal gepasst hat, passiert einfach. Das kommt im normalen Berufsleben manchmal auch vor. Letztendlich war das aber alles okay, wie es gewesen ist. Ich blicke trotzdem zufrieden zurück.
Sie haben ein freundschaftliches Verhältnis zu Ihrem langjährigen Trainer Thomas Schaaf. Kritiker lästerten nach seinem Engagement in Frankfurt, dass er jemand ist, der als Trainer nur bei Werder funktionieren kann. Wie beurteilen Sie das?
Es stimmt, dass Thomas und ich immer noch einen sehr guten Draht zueinander haben und wir uns regelmäßig austauschen. Aber wir haben bisher noch nicht darüber gesprochen, was in Frankfurt nicht so gelaufen ist, wie er sich das vorgestellt hat. Generell kann ich aber sagen, dass Thomas Schaaf ein hervorragender Trainer ist, der jede Mannschaft erfolgreich trainieren kann.
Die U23-Mannschaft von Werder tritt am kommenden Sonntag, 5. Juli, zum Vorbereitungsspiel beim VfL Germania Leer an. Als Spieler waren Sie oft zu Testspielen in Ostfriesland zu Gast. Haben Sie daran eine besondere Erinnerung?
Das war immer ein tolles Publikum, weil dort sehr viele Werder-Fans leben. Mit Dieter Eilts ist einer der bekanntesten Ostfriesen immer noch bei uns im Verein tätig. Und mit Friesland verbinde ich auch noch eine frühe Kindheitserinnerung. In Jever habe ich meine erste Coca-Cola getrunken. Das klingt unspektakulär, aber direkt nach der Wende war das etwas Besonders. Ich war mit meinem früheren Jugendverein Post Neubrandenburg dort zu Gast. Wir sind mit einem alten DDR-Bus neun Stunden nach Jever gefahren. Für jedes 25. Turniertor gab es damals eine Palette Cola. Am Ende hatten wir vier Paletten Cola gewonnen. Wir waren also sehr erfolgreich.